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Wenn ein Hund nicht (mehr) alleine bleiben kann

Sehr häufig melden sich Kunden bei mir, deren Hunde eine Verhaltensauffälligkeit zeigen, die letztlich daher rührt, dass der Hund ein Problem damit hat alleine zu bleiben. Dieses Problem begegnet mir in den letzten Jahren immer häufiger, denn in immer mehr Familien müssen beide arbeiten, der eine zumindest einige Stunden pro Tag, immer mehr Haushalte haben einen oder mehr Hunde und immer mehr Hunde mit Vergangenheit werden aufgenommen.

 

Früher war ich überzeugt davon, dass jeder Hund das Alleinbleiben lernen kann. Inzwischen bin ich mit dieser Aussage vorsichtiger, denn dass der Hund, der unter extremem Trennungsstress leidet, ganz in Ruhe lernen kann, entspannt alleine zu bleiben, hängt einfach von zu vielen Faktoren ab. Außerdem kommen viel mehr Hunde als noch vor einigen Jahren aus nicht optimalen Haltungsbedingungen in ihre neue oder sogar eine weitere Familie. 

 

Aber erst mal zurück zum Anfang. Wenn Halter sich melden, weil ihr Hund in ihrer Abwesenheit:

  • Sich im Haus löst
  • Türen zerkratzt
  • Dinge kaputt kaut
  • So laut und lange bellt, jault oder fiept, dass die Nachbarn ihn darauf hinweisen

Dann kann dies schon ein Hinweis darauf sein, dass der Hund ein Problem damit hat, alleine zu bleiben.

 

Aber es kann auch immer noch ein anderer Grund dahinterstecken. Zum Beispiel kann es sein, dass der Hund nur ab und zu wie wild an der Haustür kratzt und zwar immer dann, wenn es sich eine Katze aus der Nachbarschaft bei Sonnenschein vor Ihrer Haustür gemütlich macht. Da Ihr Hund so gar nichts von Katzen hält, reagiert er stark frustriert. Das er Dinge kaputt kaut, kann durchaus der Tatsache geschuldet sein, dass ihm langweilig ist, oder er gehört zu den Rassen, die einfach ein starkes Bedürfnis danach haben, Dinge ins Maul zu nehmen und / oder auf etwas zu kauen. Lautes Bellen, Jaulen oder Fiepen können auch andere Gründe haben, z. B. fremde oder sogar bedrohliche Geräusche, und dass ein Hund sich im Hause löst, kann letztlich viele unterschiedliche Ursachen haben.

 

Es ist also nicht ganz so einfach, der Ursache auf die Schliche zu kommen. Noch schwieriger für Sie als Halter zu erkennen, sind Hinweise die wesentlich weniger offensichtlich darauf hinweisen, dass Ihr Hund ein Problem damit hat, alleine zu bleiben:

  • Lethargie
  • Rückzug oder Meideverhalten Ihnen gegenüber
  • Verhaltensauffälligkeiten, wie z. B. Pfoten wundlecken, Flanke saugen, Rute jagen
  • Ihnen Schritt und Tritt zu folgen, aber, wenn Sie sich zum Weggehen vorbereiten, sich ins Körbchen legt und einrollt
  • Kotfressen

Um die Ursache für das gezeigte Verhalten ausfindig zu machen, bedarf es einer gründlichen Anamnese, denn auch gibt es viele mögliche Gründe für die Verhaltensweisen.

 

Auf Basis der Erkenntnisse, dass es sich doch um Trennungsstress handelt, wird letzten Endes ein Trainings- oder Therapieplan erstellt. Frustration als Ursache wird anders behandelt als Langeweile oder gar eine echte Trennungsangst. Allen Ursachen gemein ist aber die Tatsache, dass der Hund sein Verhalten weder zeigt, weil er dominant ist, noch, weil er uns ärgern will.

 

Wie schwierig ist es denn, Abhilfe zu schaffen?

 

Auch dies ist wieder ein weites Feld und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Ist Langeweile z. B. die Ursache kann häufig durch einige Veränderungen in Tagesablauf und eine bedürfnisgerechte und ausgewogene Beschäftigung des Hundes schnell Abhilfe geschafft werden.

 

Faktoren mit dem das Ganze steht oder fällt, können sein:

  • Wie gut können die Lebensumstände den Bedürfnissen des Hundes angepasst werden, besonders bei eventueller Rassedisposition oder zu vielen schlechten Lernerfahrungen, die ein längeres oder tägliches alleine bleiben vielleicht am Ende unmöglich machen
  • Besteht die Möglichkeit den Hund während der Therapie wirklich gut unterzubringen, vielleicht eine Zeit lang von zuhause zu arbeiten, Freunde, Nachbarn oder Familie einzuspannen, so dass der Hund solange bis er alleine bleiben kann, nicht alleine bleiben muss.
  • Finde ich Zeit und Geduld für eine vielleicht langwierige Therapie über einige Wochen oder sogar Monate?

 

Eine Lösung gibt es in Fällen von Trennungsstress beim Hund immer, aber je länger man wartet, umso schlechter stehen – besonders im Fall von einer echten Trennungsangst - die Chancen auf eine Lösung unter den bisherigen Gegebenheiten. 

 

Tipps:

Es empfiehlt sich dem gesunden und fröhlichen Welpen relativ schnell nach Einzug kleinschritt und wohlüberlegt das alleine bleiben beizubringen. Besonders beim Junghund und später, wenn beim alternden Hund die Sinnesleistungen nachlassen, kann es erforderlich sein, nochmal einige Übungsphasen einzulegen und während dieser Zeit, den Hund nicht alleine zu lassen.

 

Außerdem kann u. a. Folgendes dazu führen, dass ein Hund plötzlich nicht mehr alleine bleiben kann:

  • Ein Umzug
  • Eine (überwundene) Erkrankung des Hundes
  • Eine Veränderung im Familiengefüge (Trennung, ein neues tierisches oder menschliches Familienmitglied, Tod eines menschlichen oder tierischen Familienmitglieds, längerer Krankenhausaufenthalt eines Familienmitglieds, …)
  • Veränderung der Abwesenheitszeiten der Halter (Wechsel in den Schichtdienst, Erhöhung der Abwesenheitszeiten, …)

Übrigens, sich einen weiteren Hund anzuschaffen, wenn/weil der erste nicht alleine bleiben kann, ist nicht zu empfehlen, denn die Gefahr, das sich die Situation noch verschärft, weil Ihr erster Hund die Aufmerksamkeit jetzt auch noch teilen muss, ist recht groß, ebenso wie die, das sich der (Trennungs)-Stress des ersten Hundes auf den neuen Hund überträgt. Der wichtigste Sozialpartner des Hundes ist der Mensch und nicht der Hund. Nichtsdestotrotz kann ein zweiter Hund dem ersten ein sehr guter und wichtiger Sozialpartner sein, aber eben erst, wenn es dem ersten rundherum gut geht, die Bindung zum Halter top ist, und er sich über ein neues Familienmitglied, nicht nur unterwegs, sondern auch im Haus wirklich sehr freut.

 

Es empfiehlt sich übrigens immer mal wieder das Alleinsein des Hundes aufzuzeichnen, um zu schauen, ob er alleine wirklich entspannen kann; spätestens aber dann, wenn sein Verhalten in irgendeiner Weise auffällig ist.

 

Aktualisierung 17.03.2020:

Sollte Ihr Hund aufgrund der aktuellen Situation weniger als sonst oder über einige Wochen gar nicht mehr alleine sein, beachten Sie bitte, dass es, wenn für Sie der langersehnte Alltag und Normalität wieder einkehrt, für Ihren Hund das Gegenteil der Fall ist. Deshalb empfiehlt es sich, den Hund auch während dieser Zeit immer mal wieder für bis zu zwei Stunden und ab und zu auch bis zu vier Stunden alleine zu lassen, um genau dies zu vermeiden.